Einen Stress weniger! oder Das Riesenrad

Zeilen in meinem SCHAUFENSTER: Ja, die Tage werden immer schneller immer kürzer - aber jetzt beginnt für viele Menschen die schönste Zeit des Jahres. Zur Vorfreude auf die Adventszeit darf man sich schon in wenigen Tagen auf Plätzchenduft, Geschenkideen für
Weihnachten, Reibekuchen und vielleicht auch einen leckeren Glühwein mit Freunden und Familie einstimmen. Denn: Am Freitagabend lädt der Bonner Weihnachtsmarkt wieder Besucher von Nah und Fern ein, um in die besinnliche Zeit zu starten… Stimmt: Zeilen aus dem letzten Jahr.

Bin ich froh, dass das Thema Weihnachtsmarkt durch ist! Für mich: immer wochenlanger Dauerstress und, vor allem, Dauerärger. Egal, wie ich mich entschieden habe! Immer dieser Zwiespalt, in dem ich war. Jedes Mal, wirklich jedes Jahr, immer wieder dasselbe Wechselbad der Gefühle. Das Wissen, egal, wie ich mich entscheide, am Ende bereue ich meine Entscheidung. Egal, wie sorgfältig ich abgewogen habe, das Für und Wider. Es spricht alles dafür und alles dagegen: der Besuch bei Käthe Wohlfahrt. Bin ich nicht einmal drinnen die Runde gegangen, sah ich alle mit glücklich verklärtem Blick aus dem Haus kommen, waren alle außer mir in die wunderschöne Weihnachtswelt eingetaucht. Stand ich drinnen und ging nichts mehr wegen Überfüllung, wusste ich ob des Hitzestaus nicht, wohin mit mir. Gut, ich gebe zu, es gab auch das ein oder andere Erfreuliche. Diese Tierchen aus Mineralien zum Beispiel oder die Holzbrettchen, in die ich mir meinen Namen hätte eingravieren lassen können! Auch die Stände mit dem ausgesprochen beeindruckend vielfältigen Angebot an Accessoires aus Filz: einfach fein! Aber unterm Strich für mich ein einziges Fiasko, der Weihnachtsmarkt.

Ich nenne nur die Standnummer 34, ja, den Stand, wo es den frischen Flammlachs auf Buchenholz gab. Jedes Mal, wenn ich mich aufgemacht habe, mit Vorfreude und Hunger im Bauch, war da immer eine dermaßen überzeugend lange Schlange, die mir vom Anstellen abriet. Oder Thema Zuckerwatte. Nicht, dass ich die je gekauft hätte. Aber wie oft ich die hinten auf meinem Mantel kleben hatte, weil irgendjemand hinter mir es nicht gebacken bekommen hatte.

Und dann diese unheimlich originellen Sollen-wir-Kollegen-uns-nicht-alle-einmal-auf-dem-Weihnachtsmarkt-treffen?-Verabredungen! Hatte ich zweimal! Das eine Mal, ein wunderschöner Wintertag, kalt und trocken, so wie ich es liebe - offensichtlich wie es viele Menschen lieben. Weil, da war es an der Weihnachtspyramide so was von voll. Da habe ich anfangs in der sechsten Reihe gestanden, um an ein Glas Glühwein zu kommen - und nach einer gefühlten Stunde in der gefühlten neunten. Dieses Sich-an-einer-runden-Theke-Anstellen-und-Drankommen, bevor der Stand dichtmacht: habe ich bis heute nicht verstanden, wie da die richtige Strategie ist. Egal, jedenfalls erinnere ich mich an dieses Treffen deshalb, weil, als ich endlich meinen Glühwein in der Hand hielt, mich von der Theke jetzt wieder nach hinten gekämpft hatte (nicht, ohne selbstredend die Hälfte zu verschütten!), als auch die letzte Schulter mich angerempelt hatte, war weit und breit kein bekanntes Gesicht mehr zu sehen. Was auch durchaus nicht verwunderlich war, hatten wir uns ja für zwei Stunden verabredet, also bis 19:00 Uhr, und nun zeigte das Ührchen kurz vor acht. Ich habe dann übrigens im Nachgang meine Winterjacke in die Reinigung bringen müssen.

Das zweite Wäre-doch-toll-wenn-wir-mal-was-außerhalb-des-Jobs-unternähmen-Weihnachtsmarkttreffen verlief komplett anders. Alle hatten zugesagt, nur drei - mit mir - waren dann erschienen. Im Nachhinein war klar, warum. Weil, schon als ich mich aufs Rad setzte, hatte es leicht angefangen zu nieseln, und dann nahm der Regen kontinuierlich Fahrt auf. So, nun steh mal zu dritt auf dem Weihnachtsmarkt und trau dich zu sagen: "Also, wenn nur ihr zwei da seid, und ihr zwei gerade die seid, mit denen ich sowieso wenig anfangen kann, fahr ich jetzt einfach wieder nach Hause." Machst du nicht! Also haben wir zunächst einmal im strömenden Regen auf noch weitere Kollegen gewartet, die nicht kamen. (Darf ich eigentlich, wenn ich über ein Ereignis in der Vergangenheit schreibe, darf ich da einfach Kollegen schreiben, ohne Kolleginnen, meine ich? Weil, damals war das ja noch so, dass damit alle gemeint waren.) Irgendwann haben wir dann ob des üsseligen Wetters versucht, zu dritt wenigstens irgendwo reinzukommen - wie alle anderen auch. Ja, und irgendwann haben wir uns unverrichteter Dinge, total durchgefroren und gefrustet verabschiedet. Am anderen Tag war das für alle anderen doch so was von klar, dass das Treffen bei dem Wetter doch wohl ausfallen würde (da sieht man, wie lange das schon her ist. Mit Handy wär das nicht passiert). Wenn ich mich recht erinnere, gab es noch ein drittes Treffen - ohne mich. Das war ganz, ganz toll: super, super Wetter und bei Weitem nicht so voll, wie man hätte annehmen können, dass man hätte lange an der Weihnachtspyramide anstehen müssen.

Was ich übrigens total verdrängt hatte: Einmal waren mein Traummann und ich nach dem Besuch auf dem Weihnachtsmarkt für Tage außer Gefecht gesetzt. Weil, wir waren zufällig zu einer Zeit an der Weihnachtspyramide vorbeigekommen, als offensichtlich noch kein Mensch Lust auf Alkohol verspürte oder sich nicht traute, das öffentlich zu dokumentieren. Ich sah nur kein Schlangestehen, kein Drängeln, keine spätere Reinigung: Ich weiß bis heute nicht, wie wir nach Hause gekommen sind! Unschön, das Ganze.

Einen klitzekleinen Wermutstropfen gibt’s da doch: das Riesenrad. Betonung liegt auf dem Riesen. Vor vielen, vielen Jahren war das mit den Kindern ein Ritual: die zuvor gekauften gebrannten Mandeln auf dem Riesenrad genießen. Diese Zeit ist schon lange vorbei, aber mein Traummann und ich haben dieses Ritual zu zweit aufrechterhalten. Es gab ein einziges Mal vor gar nicht allzu langer Zeit, als die Töchter dann doch noch einmal mit dabei waren. Was für sie so unfassbar war: In ihrer Erinnerung war das Riesenrad ein riesiges Rad. Und als sie jetzt darauf zusteuerten, wunderten sie sich schon, dass sie es von Weitem nicht sehen konnten. Sie sahen es erst, als wir quasi davor standen - kein Wunder, es war ein ganz kleines Riesenrad! Es war das erste Mal, dass meinen Kindern bewusst wurde, wie alt, wie groß, wie erwachsen sie sind! Wie die Zeit, wie ihre Zeit vergeht!

LeserReporter/in:

Adelheid Bennemann aus Bonn

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