Was hat Birkenstock mit der "Urban Soul" zu tun?

Vor ein paar Wochen las es sich in meinem SCHAUFENSTER folgendermaßen: Quartier "Urban Soul" nimmt Formen an. Die aufwendigen Ertüchtigungen (!) des U-Bahn-Bauwerks und die Rohbauarbeiten im Untergrund seien im Bereich des Nordfelds weitestgehend abgeschlossen. Nun stünden die Hochbauarbeiten im Fokus. Die Rede war von 235 Bädern, die Etage für Etage für das zukünftige Motel One in den Rohbau integriert wurden. Dabei hebe der Kran immer passgenau die just in time gelieferte Fertignasszelle in die Aussparungen des Rohbaus.
Mensch, dachte ich, wenn mein SCHAUFENSTER weiterhin den Baufortschritt so kleinschrittig dokumentiert, krieg ich mit Datum und Uhrzeit mit, wann die Klorollen geliefert werden. Mit Blick auf die denkmalgeschützten Gebäude in der Umgebung waren sich die Projektbeteiligten einig, dass auch die neuen Gebäude eine hochwertige Klinkerfassade erhalten sollten. Bei der Materialauswahl habe die Firma Backsteinkontor aus Köln beraten und von verschiedensten Herstellern aus ganz Europa Handmuster anfertigen lassen. In mehreren Bemusterungsrunden (toll!) wurde eine Ziegelei aus der deutsch/niederländischen Grenzregion ausgewählt, die sich mit ihrer Herstellungs- und Brennart ein Alleinstellungsmerkmal in der Ziegelwelt erarbeitet habe. In einem besonderen Veredelungsprozess, dem sog. 2-Brand-Verfahren, erhalten die Backsteine ihre einzigartige Oberfläche und ihr charakteristisches Farbenspiel aus warmen und kühleren Farbnuancen.

Holla, die Waldfee, was für ein feiner Text! Was hat sich da ein Schreiber Mühe gemacht, mir das so genau zu erklären. Habe deshalb spontan den Artikel ausgeschnitten, bin ins Städtchen geradelt und habe mir das vor Ort angeschaut. Und musste wieder mal feststellen: wie tumb ich bin, dass ich dafür einfach keinen Blick habe. Was ich wohl sofort auf Anhieb erblickt habe: Merzenich, mein höchstpersönlicher Hoflieferant in Sachen Berliner! Ich weiß nicht, wie die das schaffen: zwei leckere, frische Berliner für 1,30 Euro. Beinahe so viel kostet in manch Bäckerei gerade mal einer, ohne qualitativ besser zu sein. Ich habe natürlich sofort zwei Berliner käuflich erworben. Und während ich mit dem Rücken zu Merzenich so da stehe und zuerst den ersten Berliner und dann den zweiten Berliner verkasematuckel (nebenbei, ich dachte immer, es hieße verpiesematuckeln), schaue ich auf mein Lieblingsrestaurant Cassius Garten. Da war ich neulich wieder mal und habe im ersten Stock gegessen. Was habe ich mich da vielleicht erschrocken: Früher hatte ich einen Weitblick, konnte in den Himmel schauen. Jetzt hast du das Gefühl, du kannst aus dem Fenster vom Cassius Garten deinem Gegenüber im neuen Gebäude die Hand schütteln.

Wo ich gerade bei der "Urban Soul" bin: Was genau ist eine "Urban Skin Tuchmaske"? Tuchmaske sagt mir was, aber im Werbeblättchen meines Lieblingsdiscounters wurde neulich eine "Urban Skin Tuchmaske" feilgeboten. Da hieß es: verschiedene Sorten, z. B. Urban Skin Durstlöscher, 10 Minuten Tuchmaske mit Sofort-Effekt. Meinen die jetzt urban im Sinne von gebildet und weltgewandt oder urban im Sinne von städtisch? Ist die Maske nur was für gebildete Menschen oder bin ich nach nur 10 Minuten nicht mehr so dumm wie vorher? Oder meinen die vielleicht, dass ich die wie viele Japanerinnen in der Stadt auf dem Gesicht trage, so als Schutzmaske gegen die unsaubere Luft? Dagegen sprechen jetzt aber die 10 Minuten.

Wo ich gerade bei Gesichtspflege bin. Neulich sprang mich in meiner Cosmopolitan eine ganzseitige Werbung an. Da hieß es: Natural Skin Care. Die Kraft der Korkeiche. Zellregeneration durch den multiaktiven Korkeichen-Wirkstoffkomplex. Unsere neue Natural Moisture Gesichtspflegelinie versorgt die Haut nachhaltig mit viel Feuchtigkeit, schützt sie vor äußeren Einflüssen und mindert erste Fältchen (für mich persönlich also eher zu spät). Verantwortlich dafür seien hocheffektive Inhaltsstoffe und der multiaktive Korkeichen-Wirkstoffkomplex. Er stärke die Hautschutzbarriere, steigere die Hautfeuchtigkeit und rege die Zellregeneration an. Somit werde die einzigartige Eigenschaft der Korkeiche, ihre Rindenschicht selbst zu erneuern, auf die Haut übertragen. Korkeichenwälder binden weltweit jährlich 14 Mio. Tonnen Kohlendioxid und produzieren genug Sauerstoff, um eine Kleinstadt zu versorgen (heißt, wenn jeder Bonner sich das draufschmiert, hätten wir in Bonn die Luftverschmutzung im Griff?). Kork sei ein nachwachsender Rohstoff. Für seine Gewinnung müsse kein Baum gefällt werden.
Ich wäre ja sofort dabei, mir das ins Gesicht zu schmieren, für Bonns Sauerstoffhaushalt. Was mich aber so was von irritiert, und das ist wohl meinem Alter geschuldet. Die Anzeige in meiner Cosmopolitan war von Birkenstock. Ja, es hieß, der multiaktive Korkeichen-Wirkstoffkomplex sei exklusiv für Birkenstock Natural Skin Care entwickelt worden. Zu meiner Zeit verkaufte Birkenstock nur Schuhe. Ich habe mich spontan so was von geekelt. Ich stellte mir vor, wenn ich deren Tagescreme auftrage. Namen wie Arizona, Boston und Madrid fielen mir ein. Ich habe noch aus uralten Zeiten die Rio-Sandalen mit Fersenriemen. Und zwar nicht in schwarz. Nein, in bunt: auf einer Sandale rot, grün, blau und gelb! Und das andere Paar hat orangene (soll so!!) Wildlederriemen. Hallo, warum gibt’s die nicht mehr? Jedenfalls, da bröckelt so langsam der Kork aus der Sohle. Ich mein, vielleicht kann man da seine alten abgeben - so im Sinne von Recycling. Das würde ja auch zu deren Konzept passen. Ich stelle mir jetzt also vor, dass die bei den Sandalen, die sie nicht loswerden, und den gebrauchten, dass die da die Korkfußbetten einfach kleinmahlen und mir dann als Naturkosmetik verkaufen. Ich kämpfe immer noch gegen den Ekel an, dass ich mir quasi anderer Leute Fußschweiß aufs Gesicht schmiere. Aber wenns Bonn hilft!

LeserReporter/in:

Adelheid Bennemann aus Bonn

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