Stadtgarde Frechen Grün-Weiß über Karneval damals und heute
Dafür feiern wir nächstes Jahr mit doppelt so viel Spaß!

Herbert (links) und Peter Flohr beim Zoom-Interview mit Blatt-Gold, der Schreibwerkstatt der Gold-Kraemer-Stiftung. Peter Flohr Senior, der Vater von Herbert, hat vor 65 Jahren die Stadtgarde Frechen mitgegründet. Von ihm bekam Herbert mit 6 Jahren seine erste Uniform, fertig! Seitdem ist er Mitglied der Stadtgarde, ebenso wie sein Sohn Peter, der bis 2018 Kommandant des Tanzcorps war.  | Foto: Blatt-Gold
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  • Herbert (links) und Peter Flohr beim Zoom-Interview mit Blatt-Gold, der Schreibwerkstatt der Gold-Kraemer-Stiftung. Peter Flohr Senior, der Vater von Herbert, hat vor 65 Jahren die Stadtgarde Frechen mitgegründet. Von ihm bekam Herbert mit 6 Jahren seine erste Uniform, fertig! Seitdem ist er Mitglied der Stadtgarde, ebenso wie sein Sohn Peter, der bis 2018 Kommandant des Tanzcorps war.
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Keine Kamelle, kein Schunkeln und auch kein Spaß – Karneval fällt wegen Corona aus. Wo wir sonst ganz nah beieinander waren und mit vielen Menschen in Kontakt, ist es in Frechen und Umgebung dieses Jahr still und nicht so bunt. Darüber haben wir mit drei Karnevalisten von der Stadtgarde Frechen Grün-Weiß  gesprochen: Präsident Werner Moers, Herbert Flohr und Sohn Peter, dessen Opa Peter Flohr die Stadtgarde mit ins Leben gerufen hat. Das war am 19. Februar 1956. Er war der erste Präsident. Die Stadtgarde ist ein Teil von Frechen und das, was Frechen in Sachen Karneval ausmacht. Die drei Jecken berichten uns von ihren Anfängen und von dem was es bedeutet, Karnevalist zu sein mit alten Kamellen von früher, zum Beispiel wie Herbert Karnevalsprinz werden musste und warum er deswegen geweint hat. Nä, wat wohr dat dann fröher en superjeile Zick.

Blatt-Gold: Hallo zusammen. Nächste Woche wird die Stadtgarde 65. Jahre alt. Den Geburtstag könnt ihr wegen Corona nicht groß feiern. Schlimm!?
Herbert Flohr: Wir Karnevalisten feiern immer närrische Geburtstage groß, also den 66. im nächsten Jahr wegen 6 x 11!
Blatt-Gold: Wir verstehen den Sinn nicht. Wegen dem Elfer-Rat?
Herbert: Weil die 11 eine närrische Zahl ist. Weil es am 11. im 11 losgeht und der Straßenkarneval ab 11 Uhr 11.
Blatt-Gold: Wird es nächstes Jahr denn wieder Karneval geben?
Werner Moers: Ich kann nur in die Glaskugel gucken. Wir sind da guter Dinge, dass bis dahin die Pandemie im Griff ist. Ich denke, dass es eine Sitzung geben wird und auch wieder ein Karnevalszug stattfindet. Wir hoffen alle, dass wir nur ein Jahr pausieren.
Blatt-Gold: Gab es das schonmal, wo Karneval gar nicht stattfinden konnte?
Herbert: Ja, während des Golf-Kriegs 1991. Da ist Karneval auf Sparflamme gegangen. Da haben wir auch keinen Zug gemacht.
Werner: Ja, aber die Sitzungen haben stattgefunden, man konnte sich frei bewegen und auch in den Gaststätten Karneval feiern. So etwas wie dieses Jahr hat noch keiner mitgemacht.

Uns allen wird ein Stück Lebensqualität geraubt, nicht nur aktiven Karnevalisten.

Blatt-Gold: Ist das nicht für euch sehr traurig mitanzusehen, was passiert?
Peter Flohr: Natürlich. Die Sitzungen, Prinzenbegleitung, Karnevalszug – das fällt alles aus und fehlt. So hart sind wir noch nie in die Schranken gewiesen worden. Uns allen wird ein Stück Lebensqualität geraubt, nicht nur aktiven Karnevalisten. Wir bereiten Karneval ja das ganze Jahr vor und das Tanzcorp trainiert auf die paar Wochen hin, wenn am 11.11. die Session eigentlich beginnt.  
Blatt-Gold: Wir finden es schade, dass dieses Jahr kein Zug stattfindet.
Peter: Das finden wir alle. Aber dafür können wir nächstes Jahr dann doppelt so viel Spaß haben!


Karneval hatte früher einen ganz anderen Stellenwert als wie das heute ist.


Blatt-Gold: Wie war denn Karneval früher?

Herbert: Karneval hatte früher einen ganz anderen Stellenwert als wie das heute ist. Da haben die Leute drauf gespart, um Karneval auszugehen und an Veranstaltungen teilzunehmen. Da hat man sich drauf gefreut. Nicht die Mitglieder, sondern die Bevölkerung. Heute fliegen die Leute an Karneval in den Urlaub …
Blatt-Gold: Im Moment kann man gar nicht in den Urlaub fliegen!
Herbert: Da hast du recht.
Blatt-Gold: Wie bist du zum Karneval gekommen?
Herbert: Mein Vater hat den Verein mitgegründet und hat mich am Karnevals-Sonntag mitgenommen oder wenn tagsüber was los war. Abends natürlich nicht oder wenn Schule war. Mit 6, 7 Jahren bekam ich eine Uniform, fertig!

Jung, da musste dich nicht weinen!

Blatt-Gold: Da waren deine Klassen-Kameraden neidisch, wenn du in so einem schönen Corp mitmachen duftest …
Herbert (lacht): Zum Teil. Als ich älter wurde, da haben sie mich verarscht. Da wollten alle lieber Cowboy, Indianer oder Pirat werden. Und als ich dann auch noch Kinder-Prinz werden sollte, hab ich direkt angefangen zu weinen. Die ganze Karnevals-Spitze saß bei uns im Wohn-Zimmer und ich wusste sofort, was los war. Mein Vater hat zu mir gesagt: Jung, da musste doch nicht weinen. Mach dat. Mer haben auch kein anderen!
Blatt-Gold: Warum hast du geweint?
Herbert: Kinder-Prinz wird man mit 10 Jahren! Und ich war schon 13 und hab nach Mädchen geguckt.
Blatt-Gold: Peter, du hast ja einen Sohn, wenn der jetzt Lust hat, bei euch mitzumachen, was würdest du ihm sagen?
Peter: Wenn er selbst drauf kommt mitzumachen, dann freue mich sehr darüber. Denn bei mir selbst war das gar nicht soo leicht. Denn als ich Kinder-Prinz werden sollte, habe ich mich geweigert und der Kelch ist an mir vorbeigegangen. Karneval war da noch nicht meine erste Wahl.
Blatt-Gold: Warst du da auch schon 13?
Peter: Nein, 10 Jahre.
Blatt-Gold: Wie bist du denn dann zum Tanz-Corp gekommen?
Peter: Da kam ich nicht dran vorbei. Jeder wurde verpflichtet. Das ist mit 14 dann auch nicht so toll, aber rück-blickend waren es schöne Jahre und eine tolle Zeit.
Blatt-Gold: Wie war das für dich, Herbert, als dein Sohn nicht Kinder-Prinz werden wollte?
Herbert: Wir haben unsere Kinder so erzogen, dass sie frei entscheiden dürfen. Mit 14 durfte Peter auch nur in den Tanzcorp, weil er gut in der Schule war und wenn darauf geachtet wurde, dass er keinen Alkohol trinkt und pünktlich zu Hause ist.
Blatt-Gold: Werner hast du auch einen Sohn? Geht der auch an Karneval mit oder geht der nicht mit?
Werner: Ich habe zwei Töchter, die beide auch das Karnevalsvirus haben – beide waren schon Kinderprinzessin in Frechen.
Blatt-Gold: Und heute? Gibt es Nachwuchs-Probleme oder ist es wieder cool, in einem Karnevals-Verein zu sein?
Peter: Es könnte besser sein, aber auch schlechter.
Herbert: Es ist besser geworden seit wir junge Mädchen dazu genommen haben. Die Mädchen sind ehrgeiziger als die Jungs. Ich finde, dass der gemischte Tanzcorp richtig super geworden ist.
Werner: Nachwuchs-Probleme sind noch da. Tanz-Mariechen haben wir genug, aber junge Männer zu begeistern, ist schwieriger.
Blatt-Gold: Wird denn noch trainiert?
Peter: Ja, mithilfe von Zoom. Das Trainer-Paar führt die Tänze vor oder stellt es online zur Verfügung, sodass man sich das immer wieder ansehen und trainieren kann.
Blatt-Gold: Du warst bis 2018 im Tanz-Corp. Warum hast du aufgehört?
Peter: Ich habe mich beruflich weitergebildet und ein halbes Jahr später kam mein Sohn auf die Welt. Ich bin Kassen-Prüfer und ansonsten zurzeit genießendes Mitglied.
Alle lachen.
Herbert: Bei den verheirateten Mitgliedern sind die Frauen nicht mit im Verein, aber die hängen ja auch mit drin und unterstützen uns bei den Sommer-Festen, die machen eine eigene Fußgruppe beim Karnevals-Zug und treffen sich auch einmal im Monat.
Blatt-Gold: Mitglieder sind nur Männer, keine Frauen. Warum?
Werner: Das ist historisch bedingt! Wir sind eine Garde und die besteht aus jeher nur aus Männern. Das ist bei den großen Kölnern Traditions-Corps auch so, dass nur Männer Mitglieder sind. Es gibt auch wenig Frauen bei uns, die den Drang haben, Mitglied zu werden. Ich habe schon mit einigen darüber gesprochen. Die finden das gut so wie es ist.
Blatt-Gold: Kann ansonsten jeder bei euch Mitglied werden?
Pascal Stein, Mitlied der Stadtgarde und Autor bei Blatt-Gold: Ich kann mal meine Geschichte erzählen, wie ich in den Verein kam. Werner und ich kennen uns ganz gut. Werners Frau, Karin, ist die Schwester von meiner Stiefmutter Elisabeth. Als wir im Familien-Kreis ein Bier trinken waren oder zwei oder drei hab ich meinen Vater gefragt, ob ich auch in den Karnevalsverein könnte und mein Vater hat gesagt: 'Versuch es.' Ich hab dann mit Werner gesprochen, war bei der Mit-Glieder-Versammlung und dann musste ich rausgehen, damit die abstimmen konnten. Und, wie man sieht, die haben für mich gestimmt, dass ich in die Stadtgarde kam.
Blatt-Gold: Was hat denn der Pascal für Qualifikationen mitgebracht?
Werner: Er ist ein Karnevalsjeck. Das ist Qualifikation genug. Und man muss Spaß an der Geselligkeit haben und als Mitglied auch mal mit anpacken. Es ist ja nicht so, dass man nur feiert – es ist auch mit Arbeit verbunden.
Blatt-Gold: Und dass ihr euch schon länger kanntet, hatte keine Rolle gespielt?
Werner: Doch, sonst hätte Pascal ja kein Interesse an der Stadtgarde entwickeln können. Und man muss jeck sein.
Blatt-Gold: Wie fühlt man sich denn als Karnevals-Jeck?
Werner: Gut fühlt man sich da. Das ist eine schöne lustige Sache. Vor allem umgibt man sich mit freundlichen lustigen Menschen, das ist schön.
Blatt-Gold: Wir haben uns vor dem Gespräch mit euch überlegt, was uns zu Karneval einfällt. 8 Dinge sind uns dazu eingefallen: Kamelle sammeln, Bier trinken, Schunkeln, Singen, Zoch gucken/ mitgehen, Kostümieren, Berliner essen, in die Kneipe gehen. Wir möchten von jedem von euch seine persönliche top 3 wissen.

Peter: Alles wichtige Dinge, ich wäre der letzte, der sagt, Bier trinken ist nicht wichtig, aber meine top 3 sind:
1. beim Zoch mitgehen
2. schunkeln
3. singen

Herbert:
1. Schunkeln, singen
2. andere Freude machen durch das Kostüm oder die Uniform
3. mit anderen Menschen fröhlich sein

Blatt-Gold: Okay, nehmen wir auch. Und der Präsident?
Werner:
1. Kostümieren
2. beim Zug mitgehen
3. danach in die Kneipe zum Singen und Schunkeln

Pascal:
1. Feiern
2. beim Zug mitgehen und auf dem großen Wagen stehen
3. in die Kneipe gehen

Blatt-Gold: Ist es gerade anstrengend alles für euch?
Werner: Eben nicht! Wir sitzen ja nur zu Hause. Es ist schade, dass wir nicht Karneval feiern können. Das ist für uns Karnevalisten das schlimmste, was passieren konnte.

Das Interview führten: Cedric Eichner, Ralf Fassbender, Yvonne Freiberg, Sascha Nowak, Susanne Sasse, Pascal Stein mit Unterstützung von Anja Schimanke, Journalistin und Leiterin der Schreibwerkstatt.

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