„Friss oder Stirb“-Gebaren
Bürgermeisterin erklärt Mediationsprojekt für beendet

Ein Teil des Stadtrates ist sauer: Das Change-Projekt zur Verbesserung der Zusammenarbeit von Politik und Verwaltung wurde von Bürgermeisterin Susanne Stupp, ohne Absprache mit dem Rat, für beendet erklärt. | Foto: AUI
  • Ein Teil des Stadtrates ist sauer: Das Change-Projekt zur Verbesserung der Zusammenarbeit von Politik und Verwaltung wurde von Bürgermeisterin Susanne Stupp, ohne Absprache mit dem Rat, für beendet erklärt.
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Frechen - Aufregung im Stadtrat: Ein Pilotprojekt zur Verbesserung der
Zusammenarbeit von Stadtverwaltung und Politik wurde von
Bürgermeisterin Susanne Stupp einseitig für beendet erklärt.

Im Herbst 2018 wurde im Schulausschuss der Stadt Frechen die
„Überplanung Liegenschaft Realschule“ mit Spannung erwartet.

Die beliebte Schule an der Lindenstraße, die aus einem
unübersichtlichen Konglomerat aus modernen Fertigbauten, veralteten
Schulgebäuden und Schulcontainern aus den 1960er-Jahren besteht,
sollte für die Zukunft aufgestellt werden. 20 Monate hatte die
Verwaltung Gelegenheit, sich mit den räumlichen Gegebenheiten vor Ort
auseinanderzusetzen und Pläne, für mögliche Neu- und Ausbauten auf
dem 15.800 Quadratmeter großen Gelände zu entwickeln.

Doch die von Politik und Presse erhoffte große Präsentation blieb
aus. Stattdessen wurde den Mitgliedern des Ausschusses nur ein kurzer
Beschlussvorschlag vorgelegt. Der Inhalt: einige Zahlen und Fakten zum
Istzustand, die Einschätzung, dass der Erhalt der Gebäude nicht
wirtschaftlich und die Erkenntnis, dass die Realisierung eines
Bauvorhabens am Standort nicht im laufenden Schulbetrieb möglich sei.

Für viele der anwesenden Sachkundigen Bürger und Schulvertreter eine
herbe Enttäuschung, für zumindest einige der Fraktionspolitiker
sogar Arbeitsverweigerung. Ihrer Meinung nach hatte die Verwaltung
einen klaren Arbeitsauftrag der Politik nicht ausgeführt.

Sogar bei den Christdemokraten sei im Nachgang über mögliche
personelle Konsequenzen für die obere Verwaltungsebene gesprochen
worden, so ein CDU-Insider. Darauf angesprochen, teilt die
CDU-Fraktionsvorsitzende Karla Palussek mit: „Auch in unserer
Fraktion ist über die Einrichtung der Stelle eines technischen
Beigeordneten diskutiert worden.“

Und tatsächlich: Fast ein Jahr später durfte Bürgermeisterin
Susanne Stupp (CDU) den parteilosen Robert Lehmann als Technischen
Beigeordneten im Rathaus vorstellen. Seine Aufgabe: Die
Bürgermeisterin und den 1. Beigeordneten der Stadt Frechen, Dr.
Patrick Lehmann (CDU), zu entlasten. Teil seiner Zuständigkeiten:
Gebäudeinstandhaltung, Städteplanung und Planung von Neubauten.

Um die Arbeit von Politik und Verwaltung weiter zu verbessern wurde
außerdem das extern begleitete Change (Wandel)-Projekt ins Leben
gerufen. Gemeinsam sollten Politik und Verwaltung ein Konzept
erarbeiten, wie in Zukunft Bauprojekte in Frechen erfolgreich
entwickelt und kommuniziert werden könnten. Als Pilotprojekt wurde
direkt der „Stein des Anstoßes“ – das Schulbauprojekt
Realschule – gewählt. „Ein ‚Wind of Change‘ durchwehte das
Rathaus“, erinnern sich die Oppositionsparteien im Stadtrat: SPD,
FDP, LINKE und Perspektive für Frechen im Nachgang. In einem ersten
Schritt des 115.000 Euro teuren Mediationsverfahrens seien
Schwachstellen innerhalb der Verwaltung und im Zusammenspiel mit der
Politik aufgedeckt worden. Hoffnung auf eine „partnerschaftliche
Zusammenarbeit“ sei aufgekeimt.

Doch diese währte nicht lange: „Projektmitarbeiter wurden versetzt
und nicht ersetzt – der Schwung ging verloren – Nachfragen der
Politik liefen ins Leere“, ärgern sich die Fraktionsvorsitzenden
Hans-Günter Eilenberger (SPD), Bernhard von Rothkirch (FDP), Peter
Singer (LINKE) und Dieter Zander (Perspektive).

Und dann, Anfang November 2021, wurde das Projekt von Bürgermeisterin
Susanne Stupp für beendet erklärt. Der erhoffte „Wind of Change“
wurde zum „lauen Lüftchen“. Die Oppositionsparteien wollen dies
aber nicht so einfach hinnehmen: „Die Bürgermeisterin vergisst
dabei, dass ein Projekt, das der Haupt-, Personal- und Finanzausschuss
beschlossen hat, nicht von ihr, sondern nur durch den Ausschuss oder
den Stadtrat verändert oder beendet werden kann“, heißt es in
einer gemeinsamen Presseerklärung.

„Im Change Projekt sollte die Phase der Entwicklung und
Initialisierung des Planungs- und Bauprojektes Realschule durch eine
externe Begleitung in ihren Prozessen temporär unterstützt werden.
Aus Sicht der Verwaltung ist diese Phase in ihren wesentlichen
Bestandteilen abgeschlossen“, erklärt die städtische
Pressesprecherin Santina Nicolosi die Entscheidung der
Bürgermeisterin. Nach Meinung der Stadt sei für die Umsetzung des
Projektes Realschule keine „weitere kostenverursachende externe
Begleitung“ erforderlich.

Für die Oppositionsparteien im Stadtrat ist diese einseitige
Aufkündigung nicht hinnehmbar. Hier habe die Bürgermeisterin den
gewählten Vertretern der Stadt Frechen einfach etwas in „Friss-
oder Stirb-Manier“ vor die Füße geworfen. Davon seien auch die
Ratsmehrheitsfraktionen CDU und Grüne überrascht worden. Doch aus
dieser Richtung herrsche nur „Schweigen im Walde“. Erst in der
Tiefgarage unter dem Rathaus haben da einige Christdemokraten
zugegeben, dass dieses Verhalten nicht zielführend sei“, erinnert
sich Bernhard von Rothkirch. Peter Singer fordert daher jetzt
politische Geschlossenheit: „Wir sitzen hier heute ja nicht
zusammen, weil wir uns alle so wahnsinnig lieb haben. Es geht um die
Sache.“ Dieter Zander hofft auf konstruktive Gespräche mit den
Ratsfraktionen von CDU und Grünen, doch SPD-Ratsherr Jürgen
Weidemann fürchtet, dass diese weiterhin der Verwaltung „ohne Wenn
und Aber“ zur Seite stehen werden. „Da ist schon eine gewisse
Wagenburgmentalität zu erkennen“, so Weidemann.

Auf die Frage der Redaktion, wie CDU und Grünen die Beendigung des
Change-Projektes aufnehmen, antwortet Karla Palussek: „Der
Abschlussbericht zum Change-Projekt steht noch aus. Wir warten auf die
Vorlage, um in einer Abschlussrunde die Ergebnisse zu besprechen. Wir
erwarten daraus Anregungen und Erkenntnisse für die Entwicklung von
Hochbauprojekten zu gewinnen, die zukünftig als Mustervorlagen
genutzt werden können.“

Die Zusammenarbeit mit der Verwaltung betrachte man als
„vertrauensvoll und professionell“. Die Überführung der
Überplanung Realschule in ein reales Bauprojekt begrüße man.

Nils von Pein von den Frechener Grünen schreibt: „Wir werden auch
zukünftig die Planung weiterer Schulgebäude mit begleiten, daher ist
uns ein guter Austausch mit den anderen Fraktionen und die
vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Verwaltung wichtig.“

- Lars Kindermann

Redakteur/in:

RAG - Redaktion

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