Mit Oldtimern und stilvollen Events kämpft sich Schloss Merode aus dem Dornröschenschlaf
Picknick beim Prinzen

Die Hamstedts mögen es very british vor hochherrschaftlicher Kulisse.  | Foto: Andrea Floß
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Die Einladung kam nicht auf Büttenpapier mit Golddruck, sondern per E-mail. Als Vorbote der Retro Classics Cologne vom 15. bis 17. November 2019 luden die Veranstalter aus Stuttgart und der ADAC Nordrhein zum zweiten „Picnic au Château“ im Park von Schloss Merode ein. Das stilvolle Oldtimer-Event am 2. Juni 2019 auf dem prachtvollen Renaissance-Wasserschloss allein wäre schon einen Sonntagsausflug in die Gemeinde Langerwehe am nördlichen Rand der Rureifel wert. Aber wenn sich dann auch noch Hausherr Prinz Albert-Henri höchstpersönlich die Zeit für eine Schlossführung nimmt, gibt es kein Halten mehr.

Im Rittersaal mit den ehrwürdig blickenden Ahnen der Ritter vom Goldenen Vlies ereignet sich kurz vor dem Pressegespräch noch eine kleine Katastrophe: Es tropft von der Decke aus dem darüber liegenden Bad, Gräfin Marie-Christine und ihre Schwiegermutter greifen höchst selbst beherzt zu Eimer und Aufnehmer. „Oh, là, là, so ist das mit alten Gemäuern“, scherzt Prinzessin Clotilde, Albert-Henris Mutter. Wasser ist jedoch mit das Schlimmste, was dem ehrwürdigen Kasten, der seit fast 850 Jahren im Besitz derer von Merode ist, passieren kann. Sofort sind die Erinnerungen an den verheerenden Brand am 19. Juni 2000 wieder da, als an einem heißen Sommertag wie diesem 80 Prozent der gerade restaurierten Teile des Schlosses durch einen Großbrand erheblich beschädigt wurden. Großteile des Dachstuhles und ein Eckturm brannten völlig aus. Auch das Privatarchiv des Schlosses fiel den Flammen zum Opfer, den Rest erledigte das Löschwasser. Fast alle Möbel, Bilder und Bücher wurden vernichtet oder schwer beschädigt.

Die Wiederaufbauarbeiten dauern bis heute an, verwendet werden ausschließlich natürliche Materialien. Im zweiten Weltkrieg waren Dorf und Schloss Merode schon einmal komplett zerstört worden. Die im Keller unter der Schlosskapelle in Sicherheit gebrachten Dorfbewohner erlebten den Einsturz des Turmes über ihren Köpfen. Niemand wurde verletzt – fast ein Wunder. Zwanzig Jahre lang wurde das Märchenschloss unter großer Anteilnahme der Bevölkerung wiederaufgebaut, allerdings ohne Nordwestturm und einen Großteil des Nordflügels. In der Kapelle findet heute noch wöchentlich eine Messe statt.

Stammbaum bis ins Mittelalter

Erstmals urkundlich erwähnt wird die Familie von Merode im Jahr 1174, als Kaiser Friedrich Barbarossa den aus Kerpen stammenden Reichsdienstmann Werner mit der Verwaltung eines königlichen Hofguts betraute. Merode leitet sich entweder von dem Wort „Rodung“ ab, oder – der Sage nach – aus der französischen Bezeichnung für die griechischen Insel Rhodos. Demnach hatte sich die einzige Tochter des mit dem Hause Arragon verwandten Königs von Rhodos zur Heirat an den bewaldeten Eifelausläufern niedergelassen, das Wappen des Hauses Arragon ist nahezu identisch mit dem der Merodes. Der lange Stammbaum des weitläufigen Clans lässt sich bis zur heutigen 26. Generation lückenlos bis ins Mittelalter zurückverfolgen – die große Ahnentafel im Salon sei allerdings „unten etwas gefälscht“ – Hauptsache, die Linie stimmt.

Gelegenheit, Geschichte zu schreiben, hatten die Merodes, die 1929 vom belgischen Königshaus in den Fürstenstand erhoben wurden, etliche – „wir sind einfach sehr viele“. Einer der berühmtesten ist Frédéric, der Held im belgischen Unabhängigkeitskrieg, und Bruder von Felix, dem 1830 der belgische Thron angeboten wurde. Zugunsten des Hauses Sachsen-Coburg-Gotha und der Anerkennung durch die Engländer verzichtete er. Antoinette Ghislaine de Mérode heiratete 1846 den späteren Fürsten Charles III. von Monaco und konnte mit ihrer großen Mitgift die Verschönerung von Monte Carlo finanzieren, wodurch das Fürstentum für ausländische Touristen attraktiver wurde.

Durch die erfolgreiche Heiratspolitik stammen die meisten berühmten deutschen, belgischen oder französischen Familien dem Geschlecht von Merode ab. Nur die deutsche Linie starb aus, da nur noch Töchter zum Verheiraten übrig geblieben waren. Heute nicht mehr gendergerecht, gibt der Prinz augenzwinkernd zu. Zu den Vorfahren sollen Karl der Große, Wilhelm der Eroberer, Ludwig IX von Frankreich, Ludwig IV von Bayern, Montezuma, Cortès, mehrere Kaiser von Konstantinopel, Könige von Polen und Herzöge von Burgund, ein Erzbischof und Minister am Heiligen Stuhl, viele Domherren, mehrere Generäle, zwei Feldmarschälle, Minister, Senatoren, Gouverneure und Bürgermeister zählen – ja selbst eine Ballerina und Varietétänzerin, ein Motorsportfunktionär und ein Anthropologe finden sich neuerdings in der Verwandtschaft. Der Papst, ganz nebenbei, ist Mieter der Familie. Das Gästehaus „Santa Martha“ hatte Kardinal Xavier de Merode dem Vatikan als Leihgabe überlassen — vor knapp 200 Jahren.

Schloss Merode, das dank der intensiven Bautätigkeit des Feldmarschalls Jean Philippe Eugène zu Beginn des 18. Jahrhunderts angeblich so viele Fenster wie Tage im Jahr und soviel Türme wie Monate hat, wird heute wieder als Mehrgenerationenhaus von der belgischen Hochadelsfamilie privat bewohnt und unterhalten. Auf Wunsch seines Urgroßvaters, Fürst von Merode-Westerloo, war die Familie im Jahr 1981 mit den fünf Kindern aus Brüssel zurück auf den Stammsitz am Rande der Dürener Voreifel gezogen. Albert-Henri, ein Architekt, bewohnt mit seiner Frau und seinen drei Kindern im Südwestturm, seine Eltern, Prinz Charles-Louis von Merode und Prinzessin Clotilde, nutzen die unteren Räume.

Stelldichein vor hochherrschaftlicher Kulisse

Der junge Prinz wirkt zum sommerlichen Picknick etwas unrasiert, aber das ist durchaus so gewollt. Der Bart muss wachsen bis zum traditionsreichen „Ommegang“ am 26. Juni in Brüssel, der zweiten Heimat der Merodes. Bei dem historischen Umzug ist es Sitte, dass die Adeligen auch echt sind. Der Rasen ist nicht so perfekt Englisch wie erwünscht, aber immerhin schön grün. Die hohen Bäume im weitläufigen Park spenden Schatten, der von den passend zur Epoche ihres Fahrzeugs gekleideten Oldtimer-Picknicker dankend angenommen wird. Höhepunkt ist der Fashion Award – eine Jury wählt die drei stimmigsten Szenerien aus Fahrzeug, Kleidung und Accessoires aus. „Oft stimmt wirklich alles, von der originalgetreuen Knickerbocker-Hose bis zur historisch korrekten Limonadenflasche“, freut sich Karl Ulrich Herrmann, Geschäftsführer der RETRO Messen GmbH. Und natürlich über die 120 Anmeldungen, das sind doppelt so viele Teilnehmer wie bei der Premiere letztes Jahr.

Auch Merit und Edwin Hamstedt aus Wiehl genießen die hochherrschaftliche Kulisse mit ihrem MG von 1949, den sie seit 1995 besitzen. „Wir haben noch eine Baustelle in der Garage, einen Jaguar von 1938“, sagen die glühenden Großbritannien-Fans. Das blaue Dior-Kleid ist nach einem Vintage-Sonderheft von Burda liebevoll selbst geschneidert, es gibt natürlich einen passenden Hut, schottische Eier, Erdbeeren mit clotted cream und die berühmten Toast-Dreiecke mit Lachs und Käse. In Merode scheint die Zeit stehen geblieben zu sein.

In Zeiten, in denen keine Schiffe mehr mit einer üppigen Mitgift aus Schatztruhen voller Gold zu erwarten sind, scheinen solche feinen Nostalgie-Veranstaltungen die Rettung bei klammen Kassen. „Damit Merode eine Zukunft hat, müssen wir es aus dem Dornröschenschlaf wecken“, erklärt Prinz Albert-Henri (44) das Erhaltungskonzept. Konzerte, das „Picnic au Château“, „British Flair“ und nicht zuletzt der Romantische Weihnachtsmarkt im Advent entwickeln sich zu Besuchermagneten. Als Kulturgüter passen Oldtimer und Schlösser perfekt zusammen – „es überlebt letztendlich nur, was auch geliebt wird.“

www.schlossmerode.de

Retro Classics Cologne

Die Schwesterveranstaltung der laut Veranstalter weltgrößten Messe der Fahrkultur, der Stuttgarter Retro Classics, öffnet vom 15.-17. November 2019 zum dritten Mal ihre Pforten in der Autostadt Köln. Die Organisatoren rechnen mit mehr als 450 Ausstellern und 1500 Fahrzeugen auf 40.000 Quadratmetern in den Hallen der Koelnmesse. Händler, Oldtimer-Fans und Sammler dürfen sich auf Oldtimer, Youngtimer und Neo-Classics (hochpreisige, PS-starke Manufakturfahrzeuge und Unikate ab 20 Jahren) freuen. Sonderschauen und Rahmenprogramm, Teilemarkt, Restaurateure, Ausstatter und Clubs runden das umfassende Angebot ab. „Beim Kauf eines Klassikers stehen heute weniger Sammelleidenschaft oder Investitionskalkül im Vordergrund, sondern zunehmend Fahrspaß und Emotionen“, erklärt Karl-Ulrich Herrmann von der Retro Messen GmbH.

www.retro-classics-cologne.de

LeserReporter/in:

Andrea Floß aus Bergheim

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