Mein Interview mit Hundexperte Martin Rütter
"Ich habe die Hunde meiner Tante ohnmächtig gekrault"

Das ist Marley | Foto: FZW
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Schon seit meiner frühsten Kindheit habe ich mir einen Hund gewünscht. Damit bin ich meinen Eltern sicher häufig auf die Nerven gegangen. Auch wenn sie für mich sehr viel Verständnis aufgebracht haben, blieb mein Herzenswunsch unerfüllt. Mit jetzt 21 Jahren habe ich mir meinen Kindheitstraum schließlich erfüllt. Seit Mai lebt Marley bei uns. Sie kam über eine Tierschutzorganisation aus Sardinien zusammen mit ihren zwei Geschwistern nach Deutschland. Seit dem stellt Marey meinen Alltag auf den Kopf. 24/7 sind wir zusammen. Von Beginn an war klar: Verantwortlich für den Hund bin ich. Natürlich ist Marey aber ein Familienhund, das sechste Mitglied im Hause. Alle packen mit an. Weil ich mich seit so vielen Jahren mit Hunden beschäftige, kommt es mir fast so vor, als lebte ich schon ewig mit Hunden zusammen. Der Alltag hält aber auch stets unvorhersehbare Überraschungen bereit. Deshalb war ich froh, sowohl über die Tierschutzorganisation, als auch durch unsere Nachbarschaft, die Hunden haben, vielfältige Hilfe zu bekommen. Und es war ein riesen Geschenk, als ich die Möglichkeit hatte, mit dem Hundefachmann Nr. 1 in Deutschland, Martin Rütter, ein exklusives Inteview machen zu können. Danke deshalb an Sie, Herr Rütter, dass Sie sich die Zeit genommen haben.  

TIPP: In seinen Webinaren analysiert „Hundeprofi“ Martin Rütter die Körpersprache und Kommunikation unserer Hunde: Zum nächsten Termin, am 5. November, wird es live ab 19:00 Uhr darum gehen, Hundebegegnungen richtig einzuschätzen. Besprochen wird dann sowohl die Ebene Hund – Hund, als auch die Ebene Hund – Mensch. Während des Webinars können die Teilnehmenden per Chat Fragen stellen. Ausgewählte Fragen werden von Martin Rütter beantwortet. Weitere Infos & Anmeldung: www.martinruetter.com/webinar

Was kann ich für eine gute Bindung und Beziehung zu meinem Hund / Welpen tun? Wie kann ich diese stärken?
Ich denke, dass es das Wichtigste ist, mit dem Hund von Anfang an eine echte Partnerschaft einzugehen. Es gilt, seine Bedürfnisse zu respektieren und zu stillen. Gleichzeitig sind eine gute Erziehung, ein allgemein respektvoller Umgang sowie Freude und Spaß die Basis für ein harmonisches Zusammenleben von Mensch und Hund.Und ebenfalls ganz wichtig: Für einen Hund muss man Zeit haben. Und damit meine ich nicht nur die Zeit für die Pflege wie beispielsweise Kämmen oder Krallen schneiden. Ein Hund kann nicht nur einfach so nebenher „mitlaufen“, er ist kein Spielzeug, das man nach Lust und Laune benutzt und wieder in die Ecke schmeißt. Er ist ein Lebewesen mit eigenen Bedürfnissen, über die man sich gut informieren muss.

Wie kann ich meinen Hund / Welpen das Gefühl von Geborgenheit und Sicherheit Vermitteln?
Neben den genannten Komponenten sorgen klare Regeln und Konsequenz dafür. Und mit Konsequenz meine ich jetzt nicht Strenge oder Härte. Es ist ja so: Menschen stellen oft Regeln auf, gehen dann aber zu lax mit diesen um. Immer sonntags darf der Hund mit am Frühstückstisch sitzen und bekommt sein Leberwurstbrötchen, an den anderen Tagen aber nicht. Das kapiert kein Hund und verunsichert ihn nur. Ein Hund benötigt klare Regeln, nur so kann er Vertrauen zu seinem Menschen aufbauen und sich auch in schwierigen Situationen auf ihn verlassen.

Woran merke ich, dass sich mein Hund / Welpe wohlfühlt und ausgeglichen ist?

Das ist natürlich sehr individuell. Aber ich kann Ihnen sagen, dass Hunde meistens dann so fühlen, wenn sie ausreichend körperlich UND geistig beschäftigt wurden. Prinzipiell sind eine adäquate Beschäftigung und Auslastung ganz wichtige Themen, weil ganz viele Probleme erst dadurch entstehen, dass unsere Hunde nicht ausreichend beschäftigt werden. Ein monotoner Spaziergang beispielsweise, bei dem nichts wirklich Spannendes passiert, ist für viele Hunde todlangweilig. Der Hund denkt sich: Hier ist ja gar nichts los, dann mache ich es mir mal selber nett. Deswegen sollte der Mensch seinem Hund beim Spaziergang, aber auch Zuhause, etwas Spannendes bietet. Leckerli-Suchspiele oder Apportierspiele mit dem Lieblingsspielzeug des Hundes sind nur zwei schöne Beispiele für Beschäftigungsformen.

Was sind die „wichtigsten“ Dinge, auf die mein Hund / Welpe und ich am Anfang achten müssen? Was wichtig ist, zu trainieren?
Da sind natürlich in allererster Linie wir Menschen in der Pflicht. Wie gesagt, sollten wir auf klare Regeln und eine vernünftige Auslastung achten. Das sind zwei wichtige Punkte. Dazu kommt die extreme Vermenschlichung, die man unbedingt vermeiden sollte. Denn sie schürt Erwartungen, die der Hund niemals erfüllen kann. Ein Hund kann nicht denken und handeln wie ein Mensch.

Ein zusätzlicher Knackpunkt ist auch oft, dass der Mensch das Verhalten seines Hundes nicht richtig deutet. Es ist nämlich auch wichtig, die Sprache des Hundes zu lernen und seine Bedürfnisse zu erkennen – Stichwort: Kommunikationsmissverständnisse. Das Anspringen bei der Begrüßung wird fast immer als Freude des Hundes empfunden. In den wenigsten Fällen ist es aber freundlich gemeint, sondern viel häufiger als Korrektur am Menschen, der den Hund nicht mit nach draußen genommen hat. Oder das Schwanzwedeln, das die meisten Leute ebenfalls generell als Freude interpretieren. Dabei kann das Schwanzwedeln sehr unterschiedliche Bedeutungen haben. Wenn zum Beispiel der Körper beim Wedeln ruhig ist, und der Hund hält dabei den Kopf leicht abgesenkt und fixiert sein Gegenüber, zeigt die wedelnde Rute lediglich die Aufregung des Hundes kurz vor einem Angriff.

Was muss ich besonders beachten, wenn ich mir über eine*n Züchter*in einen Welpen anschaffe? Und was ist zu beachten, wenn ich mich für einen Hund / Welpen aus dem Tierschutz entscheide?
Eins vorweg: Maßgebend ist bei der Hundeanschaffung letztlich nicht, ob es ein Vierbeiner vom Züchter oder aus dem Tierheim sein soll, sondern dass sich die Menschen bereits vorher ausgiebig Gedanken machen und sehr genau informieren. Dass sie über ihre Begehren und Interessen reflektieren, die Gegebenheiten zu Hause berücksichtigen, die Familiensituation analysieren, die zeitliche Komponente bedenken. Die Anschaffung eines Hundes sollte nie ein Schnellschuss sein oder aus einer Laune heraus passieren. Wenn ein Hund einziehen soll, gibt es viele Aspekte, die vorab geklärt und viele Entscheidungen, die getroffen werden müssen: Soll der Hund bereits erwachsen sein oder soll er als Welpe in die Familie kommen? Soll es ein Rüde oder eine Hündin sein? Genauso wichtig ist auch die Frage, ob man sich für einen Rassehund oder einen Mischling entscheidet. Beides hat seine Vor- und Nachteile. Die finale Entscheidung hängt also nicht von der Option Züchter oder Tierheim ab, sondern sollte sich immer an den Bedürfnissen und Wünschen der Familie orientieren, in die das neue, vierbeinige Mitglied zieht.
Viele Menschen haben ja den Irrglauben, dass man mit einem Welpen vom Züchter automatisch vor allen Problemen dieser Welt gefeit sei. Das ist natürlich Quatsch. Auch bei Züchtern gibt es gute und schlechte. Wenn es aber unbedingt ein Rassehund sein muss, rate ich dringend dazu, sich an einen seriösen Züchter zu wenden. Wichtige Informationen dazu bekommt man beim Verband für das Deutsche Hundewesen (VDH). Ansonsten rate ich auch immer sehr gerne zu einem Gang ins örtliche Tierheim.Oft haben die Leute Angst einen Tierheim-Hund zu nehmen, weil sie denken, der hat auf jeden Fall eine Schraube locker. Das ist Unsinn. Dass sich ein Hund im Tierheim unter Stressbedingungen hinter Gittern häufig bellend oder verängstigt zeigt, ist klar. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Hunde, die eine zweite Chance bekommen, einfach wahnsinnig dankbar sind.

Wann sind Sie persönlich auf dem Hund gekommen und wann wussten Sie: es geht nicht mehr ohne?

Ich hatte schon immer einen engen Draht zu Hunden, obwohl ich als Kind keinen Hund haben durfte, da meine Eltern jedes Tier als überflüssig ansahen, das man nicht auf den Grill legen und essen konnte. Ich habe aber bereits in meiner Jugend die Hunde der Nachbarn ausgeführt und die Hunde meiner Tante Thea ohnmächtig gekrault. Sie hatte in den 1980er Jahren eine Art Pflegestelle für gestrauchelte Tiere – und sie besaß die außergewöhnliche Gabe, Hunde, die anfangs noch ganz wunderbar waren, binnen weniger Wochen dermaßen verrückt zu machen, dass man das Haus nicht mehr angstfrei betreten konnte. Mich hat schon damals brennend interessiert, warum so viele Menschen um mich herum Probleme mit ihren Hunden hatten.Ich habe dann später Sportpublizistik studiert und wollte Sportreporter werden. Und so wie andere Leute neben dem Studium gekellnert haben, habe ich Hunde ausgeführt. Ich habe dann quasi mein Theoriewissen – ich hatte bis dahin so an die 200 Hundebücher studiert – an den Leuten ausprobiert. Und da hat sich relativ schnell rumgesprochen, dass wenn dieser Rütter kommt, der Hund dann irgendwie anders ist. Und so im dritten, vierten Semester war für mich dann klar, ich mach das: ich eröffne ne Hundeschule. Für meine Eltern war das zunächst natürlich kein schöner Moment (schmunzelt).Mein erster Hund war dann Mina, eine Golden Retriever Hündin.Als ich sie bekam, war ich schon 25 und hatte seit dreieinhalb Jahren eine Hundeschule. Ich hatte bereits 600 Hunde im Training, bevor ich meinen eigenen hatte.

„Der Hund ist der beste Freund des Menschen.“ Was denken Sie, über diesen bekannten Satz?
Der beste Freund des Menschen ist aber immer noch der Mensch. Wer anderes glaubt, der zieht sich aus dem Menschlichsein zurück. Wenn wir aber jetzt die verschiedenen Tiere vergleichen, dann passt der Hund tatsächlich am besten von allen zum Menschen. Denn Gefühle beim Hund sind messbar, da sie Hormone ausschütten: Und Hunde, die ihren Halter wiedersehen, empfinden Glück und – ja – so etwas wie Liebe, weil entsprechende Hormone ausgeschüttet werden. Außerdem hat der Hund eine Eigenschaft, die sonst kein Tier hat: Der Hund ist in der Lage, einen Artfremden als gleichwertigen Sozialpartner zu sehen. Der Hund weiß, dass wir kein Hund sind. Aber wir können für den Hund so wichtig werden wie ein anderer Hund. So etwas kann keine Katze, kein Pferd und kein Wellensittich. Selbst ein Affe kann das nicht. Der Hund kann sich also wirklich auf einen Menschen einlassen, und dadurch entsteht eine ganz besondere Nähe.

TIPP: In seinen Webinaren analysiert „Hundeprofi“ Martin Rütter die Körpersprache und Kommunikation unserer Hunde: Zum nächsten Termin, am 5. November, wird es live ab 19:00 Uhr darum gehen, Hundebegegnungen richtig einzuschätzen. Besprochen wird dann sowohl die Ebene Hund – Hund, als auch die Ebene Hund – Mensch. Während des Webinars können die Teilnehmenden per Chat Fragen stellen. Ausgewählte Fragen werden von Martin Rütter beantwortet. Weitere Infos & Anmeldung: www.martinruetter.com/webinar

LeserReporter/in:

Flora-Zoe Worms aus Pulheim

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