Sie tragen keine Schuld
Kinder sind immer die Leidtragenden

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Wir bestimmen unser Leben selbst…
…Kinder können das nicht!

Bei Alkoholiker-Kindern ist das besonders schlimm
Die Unterstützung von Menschen aus dem Umfeld von Alkoholkranken liegt mir seit langer Zeit besonders am Herzen. Dabei komme ich fast immer mit Erwachsenen, manchmal mit Jugendlichen und recht selten mit Kindern in Kontakt. Dabei sind die Kinder in Familien die mit einer Alkoholproblematik leben müssen, ganz besonders betroffen. Der konsumierende Teil der Familie kümmert sich um „seinen Alkohol“, der nicht trinkende Teil verharrt meist in der Mitbetroffenheit (Co-Abhängigkeit), leidtragend bleiben die Kinder. Sie versuchen die Aufgaben der Eltern zu übernehmen, sind meist viel zu klein für diese Aufgaben, hoffnungslos überfordert und fühlen sich auch noch verantwortlich für das Versagen der Eltern. In meinen eigenen Veranstaltungen sind Kinder selten zu finden, umso mehr interessiert mich die Arbeit einer Gruppe die ich auf einer Veranstaltung in Bad Fredeburg kennenlernen durfte. Christa Gattwinkel langjähriges Mitglied des Kreuzbundes gründete die Smily Kids und gibt bereitwillig Auskunft über die Arbeit dieser bemerkenswerten Einrichtung
Kannst Du mir sagen wie Du auf die Idee gekommen bist die Smily-Kids zu gründen?
In der Kreuzbund-Selbsthilfegruppe für Suchtkranke und Angehörige, die ich damals mit meinem Mann besuchte, war eine Mutter, die mit ihrem 12-jährigen Sohn nicht mehr zurechtkam. Der Vater war gerade in der Therapie. Sebastian war störrisch und in der Schule kam er auch nicht mehr mit. Nach einiger Überlegung meinte ich, ob ich nicht mal mit ihrem Sohn reden dürfe. Da meinte sie: „Warum denn nur mit meinem Kind, da sind doch noch mehrere!“ Ja,- und da begann ich echt zu überlegen. Maß ich mir da nicht zu viel zu? Wie mache ich das überhaupt? Ich überlegte sehr lange bis ich es rund hatte.
Seit wann gibt es die Gruppe?
Die Gruppe habe ich am 14.09. 1996 gegründet. Ich habe mir ein Konzept erarbeitet und durch Frau Ingrid Arenz-Greiving gelernt, dass man eine solche Gruppe nur mit den Eltern zusammen gründen kann. Nach reichhaltiger Überlegung merkte ich selbst, dass die Eltern der Kinder es erlauben müssen, dass ihr Kind über ihre „Saufzeit“ spricht. Es ist so wichtig, wenn das Kind in der Gruppe über seine Ängste und Nöte redet, zuhause aber schweigen muss, wird es nicht wiederkommen. Außerdem dürfen alle nicht überfordert werden, deshalb habe ich die Gruppe nur 1x im Monat festgelegt.
Habe mich auch vorher erst informiert und abgesichert, falls ich mal andere Hilfe brauchen würde. Meinen Kreuzbundvorstand innerhalb der Erzdiözese Paderborn, dessen Vorsitzender damals mein Mann war, Jugendamt, Caritas, Aufwind, Kinderarzt, Rechtsanwalt und einen Psychologen, sie alle sagten mir ihre Hilfe zu.
Du glaubst gar nicht, was das für ein Moment war am ersten Tag. Voller Herzklopfen, mit einem Gebet nach OBEN, eine Kiste voll Malsachen und alles, mit allem was ich brauchen könnte, fing ich an. Zuerst habe ich von mir erzählt, habe gesagt, dass auch ich Angst hatte, als mein Mann getrunken hat…. Ich habe mich auf die Stufe der Kinder gestellt und da ging alles sehr schnell. Es war, als wenn ich ein Ventil geöffnet hätte, es sprudelte nur so aus ihnen heraus. In diesem Moment kam die Schweigepflicht gerade recht. Immer wieder fragten sie, ob ich das auch nicht ihren Eltern erzählen würde. Ich sagte: „Nein, nur, wenn ihr es wollt. Ich werde euch immer zuerst fragen!“ So gewann ich sehr schnell das Vertrauen der Kinder, wurde aber anfangs immer beobachtet, wenn ich mit den Eltern sprach.
Wer kommt (Eltern/Angehörige/Kinder)?
Es kommen Eltern, Vater oder Mutter, Großeltern, Pflegeeltern oder eine vertraute Person. Die Kinder in der Gruppe sind momentan von 7-25 Jahren. Ich hatte auch schon 4-jährige, die sich total gut in die Gruppe einfügten und erzählten, was sie erlebt hatten.
Unsere Gruppe läuft so: Eltern etc. und Kinder kommen gemeinsam, sitzen aber in getrennten Räumen um über ihre Ängste und Nöte zu reden. Den Kindern schenke ich meist nach dem Reden noch einen Traumreise, die auch wieder dazu dient, Ängste abzubauen und Kraft zu tranken. Nach einer kleinen Pause, die auch zur Stärkung dient, können alle wieder zusammenkommen. Jetzt kann gemalt, gebastelt oder auch nur geredet werden.
Wichtig ist nun, dass ich sofort mit den Erwachsenen reden kann, falls das Kind fachliche Hilfe braucht. Ich kann das Kind mit einbeziehen ohne die Schweigepflicht zu verletzen, die bei uns höchstes Gebot ist. Du glaubst gar nicht, wie schnell die Kinder wissen, was Schweigepflicht ist und wie weit sie geht. Das klappt meist besser, als bei den Erwachsenen.
Konsumieren die Eltern noch oder ist bereits eine Therapie erfolgt?
Das kommt vor. Aber meist sind sie trocken, Drogen frei und haben eine Therapie hinter sich. Es kommt aber auch vor, dass der noch Konsumierende durch uns sein Verhalten ändert und eine Entgiftung anstrebt, manchmal sogar eine Therapie.
Ich kann mich noch gut an eine Situation erinnern, als eine Mutter mit hochrotem Kopf etwas zu spät in die Gruppe kam. Wir saßen alle gemeinsam in einer Runde als ein Zwölfjähriger sagte; „Christa, du hast doch gesagt, wir können alles fragen, stimmt’s?“ Ich nickte, da schoss er auch schon los, zu der Mutter gewandt: „Du hast eine Fahne, hast du getrunken?“ In der Runde war es mucksmäuschenstill, kannst Du dir ja vorstellen, dann sagte die Mutter: „Ja,- ich habe getrunken, du hast Recht! Ich schäme mich…. Dachte ich doch, ihr würdet das nicht merken.“ Der Kleine: „Ach so, aber warum tust du nichts?“
Dieser kleine Junge hat die Mutter wieder auf den richtigen Weg gebracht, sie ging ein paar Tage später zur Entgiftung und dann zur Therapie. Zu mir sagte sie, dass sie diesen Moment nie vergessen würde, so geschämt hätte sie sich.
Werdet Ihr durch Psychologen unterstützt?
Während der Gruppenstunde? Nein. Ich kenne aber einige Psychologen, hier kann ich immer um Rat und Hilfe bitten.
Leben die Kinder noch in den Familien?
Das ist unterschiedlich. Die Kinder, wo die Mutter getrunken hat, waren meist schon im Kinderheim oder in einer Pflegefamilie. Es dauert eine Weile bis sie ihre Kinder wiederbekommen. Danach haben sie oft eine gewisse Zeit eine Betreuerin, die sie sogar auf die Smily Kids Gruppe aufmerksam macht und sogar bringt.
Werden die Kinder auch medizinisch betreut?
Privat werden meist die Kinder aus den Pflegefamilien medizinisch betreut. Sie sind oft während der Trinkphase gezeugt worden und haben ziemliche Defizite.
Gehört die Gruppe zum Angebot des Kreuzbundes oder ist das separat zu sehen?
Tja,- das ist ein Kapitel für sich. Die Smily Kids Gruppen sind alle vom jeweiligem Kreuzbundverband bewilligt. Ich habe die Gruppe damals für den Kreuzbund in der Erzdiözese Paderborn gegründet. Sie gehört zum jeweiligen Kreuzbund, ist aber eigenständig. Das heißt, jeder kann die Gruppe besuchen. Das gilt für alle Gruppen.
So halten es auch die übrigen Smily Kids Gruppen von Dortmund, Limburg, Altenkirchen und Düsseldorf, Altenhundem und Olpe natürlich.
Selbstbewusstsein und Selbstvertrauen gehören auch in der normalen Angehörigenarbeit zum Aufbauprogramm
wie macht Ihr das bei Kindern?
Wenn Kinder in unsere Gruppen kommen, ist da wenig Selbstvertrauen und kein Selbstbewusstsein. Durch unsere Arbeit, in dem sie sich alles von der Seele reden können, verändern sie sich sehr schnell. Sie merken, sie werden anerkannt, wir hören ihnen zu und wir glauben ihnen. Wir befreien sie von ihren Ängsten Schuld zu haben, dass Vater oder Mutter getrunken haben. Du glaubst gar nicht wie schnell Kinder wieder stark werden.
Auf einmal sind es wieder fröhliche Kinder.
Ihre Eltern erlauben ihnen auch über die Zeit zu reden, deshalb ist es ja so wichtig, diese mit einzubeziehen.
Wie reagieren Kinder auf die eigenen Ängste bei konsumierenden Eltern?
Wenn ein Elternteil noch nass ist, reicht es dem Kind schon, dass es darüber reden kann. Es merkt, es ist nicht mehr allein.
Wir reden oft darüber und jedes Kind hat einen „Notfallplan“ bekommen. Das ist ein kleines Täschchen mit Telefonnummern und seinen Überlegungen, was es in einer brenzligen Situation machen kann. Alles, was wichtig ist, steckt in diesem Täschchen.
Kinder sind kleine Angehörige und ihre Ängste kommen immer wieder hoch, wenn sich zuhause irgendwas verändert. Der Rückfall ist am schwersten zu verkraften. Die Enttäuschung, vielleicht doch wieder ins Heim oder zu Pflegeeltern zu müssen.
Das tut mir in der Seele weh und deswegen ist es so wichtig, diesen Kindern zu helfen. Sie leiden still, sie brauchen uns. Deswegen sind Anlaufstellen, egal welcher Art, für Kinder aus suchtkranken Familien so unendlich wichtig.
Ich habe hier hauptsächlich für mich gesprochen, aber all unsere Smily Kids-Gruppen laufen so. Info gibt es bei Facebook, bei You Tube läuft ein Imagefilm und unter www.smily-kids.de schreibe ich immer ins Tagebuch, was mir so wichtig erscheint. Hier findest Du auch alle Gruppen mit Anschrift und Telefonnummern.
Herzlichen Dank, lieber Burkhard, dass Du mit mir dieses Interview geführt hast. Bestimmt komme ich so meinen Wunsch etwas näher….
Ich möchte diesen Kindern eine Stimme geben, damit man sie hört, sieht und ihnen hilft.

LeserReporter/in:

Burkhard Thom aus Rhein-Erft

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