Jubiläum des Deutschen Harmonika-Verbandes
Osterarbeitswoche digital

Die Dozenten der digitalen Osterarbeitswoche: Silke D'Inka, Michael Rettig, Hans-Günther Kölz und Wolfgang Ruß.  | Foto: Anita Brandtstäter, Collage: Anita Brandtstäter
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Trossingen/Wesseling. In der Woche vor Ostern findet traditionell die Osterarbeitswoche des Deutschen Harmonika-Verband e.V. statt. Am Sonntag beginnt die Veranstaltung normalerweise nachmittags mit den Lehrgängen in der Bundesakademie Trossingen - und am Abend gibt es das erste Konzert. Schon zum zweiten Mal musste wegen der Pandemie das gemeinsame Musizieren, das Lernen und Üben, der Austausch von Akkordeonbegeisterten ausfallen. Im Jubiläumsjahr des Verbandes - er wurde am 28. März vor genau 90 Jahren gegründet - sollte nicht alles abgesagt werden - und so organisierte man an diesem Sonntagnachmittag vier Workshops und einen digitalen Austausch zur Situation. Die Begrüßung übernahm Vizepräsident Manfred Kappler. Geschäftsführer Johannes Wollasch informierte über den Ablauf und Mateusz Phouthavong unterstützte bei der Organisation der Veranstaltung über Zoom. Als Dozenten beteiligten sich Silke D'Inka mit einem Vortrag "Was ist beim Dirigieren wichtig?", Michael Rettig mit einer Präsentation der Steirischen Harmonika, Hans-Günther Kölz und Wolfgang Ruß mit der Vorstellung von Neuerscheinungen für Akkordeonorchester aus ihrer Feder. Leider musste das Seminar zur Theorie des Ensemblespiels von Andreas Nebl wegen Krankheit abgesagt werden.

Workshop Dirigieren

Silke D'Inka hielt im ersten Teil ihres Workshops Dirigieren einen Vortrag "Was ist beim Dirigieren wichtig?" 27 Teilnehmer folgten ihren Ausführungen. Ein Dirigent soll sein Orchester inspirieren, "die Musik sein". Aha-Erlebnisse lassen sich nicht einfach reproduzieren, man muss immer wieder neu fühlen. Wenn etwas nicht klappt, ist ein Selbstregulation wichtig. Der Respekt kommt von selbst - mit Gergievs Worten: „...durch die Autorität des Dirigenten als Musiker, als Leader, als kluger Mensch.“Wichtig ist es gerade im Laien-Bereich, die Spieler da abzuholen, wo sie stehen. Dazu ist manchmal ein Perspektivenwechsel notwendig. Ein Dirigent muss wissen, wann er hilft und wann er stört - er muss so selbstsicher sein, dass er den Musikern auch einen gewissen Freiraum und Vertrauen schenken sollte. Zeigen, was man will, ist besser als viel zu besprechen. Voraussetzung für eine gute musikalische Leitung ist es, dass auch der Dirigent übt, zum Beispiel schwierige Taktwechsel. Ein (Anfänger-)Dirigent wird "erschlagen vom Orchesterklang", er kann nicht alles wahrnehmen, deshalb ist es notwendig, auszubalancieren zwischen Gesamtklang hören oder Fokussieren.

Workshop Steirische Harmonika

Michael Rettig stellte im zweiten Teil seines Workshops Steirische Harmonika 21 Teilnehmern - darunter viele Neulinge, aber auch einige mit Erfahrungen - das Instrument vor. Es ist ein alpenländischer Verwandter des Akkordeons, ebenfalls im 19. Jahrhundert entstanden. Die Steirische Harmonika ist handlicher, hat auf beiden Seiten Knöpfe, eine traditionelle Holzoptik, Schalltrichter und einen zentral gelegenen langen Luftknopf. Sie ist wie die Mundharmonika und das Bandoneon diatonisch, sie ist damit zwar einfacher zu erlernen, aber auch beschränkt im Repertoire - für traditionelle Volksmusik und harmonisch einfachere Stücke. In der Mitte des Diskants findet man einen markierten Orientierungston als Gleichton. Die Stimmung ist abhängig vom Einsatzgebiet - z.B. ob man mit Blasinstrumenten musiziert. Charakteristisch ist ein Tremolo im Diskant und kraftvolle Bässe. Halbtöne sind ergänzend unten im Diskant angesiedelt. Es gibt eine eigene Literatur in Griffschrift. Viele spielen aber auch nach Gehör. Michael Rettig hat mit der Steirischen Harmonika im Alter von 12 Jahren angefangen, nachdem er zuvor fünf Jahre Tastenakkordeon gelernt hatte. Parallel ist er auch auf Knopfakkordeon umgestiegen. Vor vier Jahren hat er sein Musikstudium abgeschlossen und damit auch neue musikalische Einflüsse in seine Musik eingebracht. Einige Beispiele für die einzigartige und vielseitige Musik, die auch modern ist, rundeten den Vortrag ab: die Sternpolka, ein Blues sowie zwei Eigenkompositionen.

Workshop "Neue Literatur für Akkordeon-Orchester"

Im Workshop "Neue Literatur für Akkordeon-Orchester" von Hans-Günther Kölz und Wolfgang Ruß sammelten sich 45 Teilnehmer - in Präsenz hätten nur 20 dabei sein können. Die Dozenten stellten neue Kompositionen und Arrangements vor, indem sie den Bildschirm teilten für die Simulationen aus dem Notensatzprogramm Finale.
Wolfgang Ruß präsentierte die Filmmusik "A Summer Place" und das Medley "'80er Party" mit den Titeln "99 Luftballons", "Schickeria", "Skandal im Sperrbezirk" und "Er gehört zu mir". Außerdem die funky Bigband-Nummer "A Few Good Men", die als Opener von A-Train gespielt wurde und die er kompositorisch ergänzt hat, und den Hit "Major Tom - Völlig losgelöst" von Peter Schilling. Bernd Glück von Jetelina Akkordeonmusik hatte angeregt, die Auftragskomposition "Kurzgeschichten" für Duo aus dem Jahre 1995 für Akkordeonensemble zu arrangieren. Die Sätze sind gut mit Schülern zu realisieren und nur für Akkordeon 1 bis 3 und Bass besetzt. Russ wies außerdem auf die neue Reihe "Combo Classics" hin, die für Akkordeon plus Melodieinstrument plus Begleitstimme geschrieben wurde. Die Akkordeon-Stimme ist als Solo spielbar. Alles kann auch im Akkordeon-Trio aufgeführt werden.
Hans-Günther Kölz stellte seine viersätzige anspruchsvolle Komposition "My Switzerland" vor, eine Auftragskomposition für ein Festival im Mai 2021 auf Basis eines Katalogs zu Schweizer Landschaften mit den Sätzen Bern, Genf, Lugano, St. Moritz. Den 3. Satz hat Kölz schon im letzten Jahr etwas proben können. Die Basis hatte er für Sinfonieorchester geschrieben. Auch für Online-Proben geeignet ist der Fast-Rock "Take On Me" von Aha. Kölz hat von seinem Arrangement auch eine Einspielung produziert, eine gute Playback-Basis für Proben oder Corona-Videos. Für das Beethoven-Jahr war sein Arrangement "Scherzo" gedacht, basierend auf der Version von David Garrett.

Zum Abschluss trafen sich die meisten Teilnehmer dann noch zum Austausch über die aktuelle Situation. Präsident Jochen Haußmann grüßte die Teilnehmer und moderierte die Impulsbeiträge der Dozenten zur Bewältigung der Pandemie. Silke D'Inka berichtete über die Situation vor einem Jahr, als alles abgesagt wurde, als die meisten Schüler über Digital-Unterricht doch weitermachten, über tolle Corona-Orchesterprojekte #gemEINSAMmusizieren und über ein Sommer-Open-Air mit viel Publikum und motivierenden Reaktionen. Hans-Günther Kölz entdeckte nach einer Schockstarre neue Freiräume, beobachtete den Online-Unterricht seiner Frau, der ihn zu neuen Kompositionen für Schüler inspirierte, entdeckte die Möglichkeit, z.B. Musikbearbeitung am Konservatorium effektiver online zu unterrichten, berichtete von Vereinsmitgliedern, die mit großem Engagement Tonmischung, Videoschnitt... bei Corona-Orchesterprojekten übernahmen, und empfindet immer noch Glück und Motivation von einem Konzert mit dem Orchester Hohnerklang. Michael Rettig äußerte sich dankbar, dass im privaten Umfeld keiner ernsthaft erkrankt war; nach einem Motivationsloch 2020 folgte Arbeitswut 2021, die Bilanz der Corona-Zeit ist bisher ein Konzert im Seniorenzentrum, zwei Livestream-Konzerte und eine Open-Air-Lesung; er hofft, dass im Übergang auf ein normales Leben die Kultur an Stellenwert gewinnt. Wolfgang Ruß unterschrieb alle Äußerungen der Vorredner, er hatte das Glück, im Juli 2020 nach 20 Jahren als Schulleiter in Rente gegangen zu sein. Es ist traurig, dass man in dieser Zeit einige Aktive verliert, so dass wieder Aufbauarbeit erforderlich wird. Für ihn sind alle Workshops ausgefallen, auch in der Jazz-Szene. Manfred Kappler hofft, dass der Akkordeon-Musik-Preis Anfang Juni wie geplant mit zwei Konzerten stattfinden kann; er wünscht allen viel Kraft für den Neustart. Und so beschloss Jochen Haußmann die digitale Osterarbeitswoche mit den Worten "Wir bleiben optimistisch - auf ein Wiedersehen in Präsenz."

Die Dozenten der digitalen Osterarbeitswoche: Silke D'Inka, Michael Rettig, Hans-Günther Kölz und Wolfgang Ruß.  | Foto: Anita Brandtstäter, Collage: Anita Brandtstäter
Das obligatorische Teilnehmer-Foto - dieses Mal als Screenshops der Zoom-Videokonferenz zum Abschluss.  | Foto: Anita Brandtstäter, Collage: Anita Brandtstäter
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Anita Brandtstäter aus Köln

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